Die Bedeutung des Angelns als Freizeitbeschäftigung findet in der Gesellschaft immer größere Beachtung. Durch zunehmende Popularität und immer bessere Fangmethoden rückt die Nachhaltigkeit bei der Bewirtschaftung eines Gewässers in den Vordergrund. Mit der Einführung eines Entnahmefensters für den Hecht gehen die Müritzfischer aus Mecklenburg Vorpommern 2015 neue Wege. Was es damit auf sich hat, lest Ihr im folgenden Interview mit dem Müritzfischer Sebastian Paetsch.
Hechtverrückt: Sebastian, bevor wir genauer auf das eigentliche Interview-Thema eingehen. Was macht Ihr als Müritzfischer eigentlich?
Sebastian Paetsch: Uns Müritzfischer gibt es seit 1952; also seit über 60 Jahren. Zu Zeiten der ehemaligen DDR stand nach den politischen Maßgaben der Versorgungsplan im Vordergrund. Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands sind wir aus einer staatlichen Genossenschaft (Produktionsgenossenschaft der Binnenfischer Waren-Plau) die privatwirtschaftliche Fischerei Müritz Plau GmbH geworden. Heute bewirtschaften wir die Mecklenburgischen Großseen als alleiniger Fischereirechtinhaber (insgesamt etwa 100 Gewässer von der Müritz zum Plauer See). Fischfang ist unser Handwerk (Urproduktion), welches auch unser Hauptgeschäft darstellt. In unseren Teichwirtschaften/Aquakulturen (Saiblinge, Maränen, Forellen) und der Direktvermarktung über den Fischverkauf bieten wir regionale Produkte mit hohem Qualitätsanspruch direkt vor Ort. Mit besonderem Engagement fördern wir seit einigen Jahren den Angeltourismus. Neben der Ferienwohnung direkt am Wasser mit zugehörigem Boot gibt es topaktuelle Tipps von meinen Fischer-Kollegen vor Ort. Wo stehen grad die Fische? Welche Köder laufen gut? Kann man bei dem Wind noch bedenkenlos rausfahren? Der Dialog mit unseren Gästen gehört für uns längst dazu. Ein Bild, das zur eigentlichen Vorstellung des schweigsamen Fischers nicht passt, bei uns aber gut aufgeht. Bei Bedarf vermitteln wir auch geführte Angeltouren mit lokal ansässigen Guides. Ausgabe und Verkauf der Angel-Gastkarten erfolgen über den Müritzfischer-Onlineshop (Zahlung neuerdings auch mit PAYPAL möglich) sowie über regionale Verkaufsstellen in Form von Campingplätzen und Angelläden. Ihr seht also, dass unser Job heute nicht mehr ausschließlich aus „Fische fangen“ besteht. Ich selbst habe momentan selten die Rute oder das Netz in der Hand. Ich bin für Unternehmenskommunikation und Angeltourismus bei den Müritzfischern zuständig.
Hechtverrückt: Als Inhaber des Fischereirechts in euren Pachtgewässern habt Ihr für 2015 ein Entnahmefenster für den Hecht eingeführt. Was hat es damit auf sich?
Sebastian Paetsch: Das Entnahmefenster stellt neben dem weit verbreiteten Mindestmaß eine alternative Bewirtschaftungsform der selektiven Fischentnahme dar. Dabei sind nicht Fische ab einer gewissen Größe für die Entnahme vorgesehen. Vielmehr wird ein Korridor in Form einer Mindest- und Maximalgröße gebildet. Dieser Korridor ist die Voraussetzung zur Verwertung und Entnahme. 2015 haben wir ein solches Fenster zwischen 60cm und 90cm für den Hecht auf einem unserer Gewässer – dem Kölpinsee – probeweise eingeführt. Der Kölpinsee scheint hier als eines unserer Haupthechtgewässer die passende Versuchsumgebung zu sein. Fragen, die sich für uns ergeben, sind: Fangen unsere Angler hierdurch nachhaltig mehr? Steigt der Anteil der entnahmefähigen Fische durch verbesserte Produktivität des Gewässers? Hier versprechen wir uns einen wertvollen Erfahrungsgewinn.
Hechtverrückt: Entnahmefenster statt Mindestmaß – wo siehst du gegenüber dem etablierten Mindestmaß Vorteile beim neuen Entnahmefenster?
Sebastian Paetsch: Als Fischereirechtinhaber ist es unsere Pflicht den Fischbestand zu pflegen (sogenannter Hegeauftrag). Das Entnahmefenster kommt dem eigentlichen Naturzustand in einem Gewässer sehr nah. In der Natur hat ein Fisch, zum Beispiel ein Hecht, der größer als 90cm ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit zu überleben, da natürliche Fressfeinde fehlen. Ein Mindestmaß spiegelt diesen Zustand nicht wider, weil Fische ab einer gewissen Größe entnommen werden müssen, wenn sie gefangen werden. Fische, die es durch Ihre Anpassung geschafft haben eine gewisse Größe zu erreichen, werden ab dem Mindestmaß gezielt aus dem Ökosystem entfernt. Ein Mindestmaß fördert evolutionär somit langfristig Kleinwüchsigkeit bei Fischen. Das Entnahmefenster wird zudem nicht umsonst auch als „Küchenmaß“ bezeichnet. Das bedeutet, dass eine sinnvolle Verwertung in der Küche stattfinden kann. Es ist zumindest fraglich, ob ein Hecht, der weit über einen Meter Länge aufweist, zur Verarbeitung in der Küche geeignet ist. Das Entnahmefenster ist somit kein notwendiges Mittel, um den Hecht generell zu schützen, weil er in unseren Gewässern gefährdet ist. Der Bestand ist so gut, dass wir derzeit keine Notwendigkeit für eine Schonzeit sehen. Es soll weniger eine Steigerung der Bestandsdichte, sondern vielmehr eine Verbesserung in der Qualität der bestehenden Bestandsstruktur erfolgen.
Hechtverrückt: Beachtet Ihr das Entnahmefenster ebenfalls beim Netzfischen?
Sebastian Paetsch: Ja das Entnahmefenster wird durch uns bereits seit längerem in der Netzfischerei beachtet. Das beruht auf der schlechten Nachfrage nach großen Fischen im Handel. Lebensfähige Fische werden ab einer gewissen Größe zurückgesetzt. Ausserdem betreiben wir keine gezielte Fischerei auf Laichfische.
Hechtverrückt: Wie wurde die neue Regelung von Euren Gästen bisher aufgenommen? Gab es Lob, aber auch Kritik?
Sebastian Paetsch: Bislang haben wir von Gästen und Einheimischen insgesamt ein positives Echo erfahren. Die Regel ist vernünftig und endlich wird auch mal was in der Praxis ausprobiert, bekommen wir als Feedback. Negative bedenken werden geäußert, wenn es darum geht einen übermaßigen und schwer verletzten Fisch mit Zwang zurücksetzen zu müssen oder getötet zurück zu lassen. Hier sehen wir ein schwieriges Thema auf das wir noch keine abschließende Antwort gefunden haben. Eine Regel kann nur gut funktionieren und durchgesetzt werden, wenn sie erfolgreich auf Umsetzung überprüft wird. Auch hier besteht noch Bedarf an zu sammelnden Erfahrungen. Ein 95cm Hecht, den wir bei einer Kontrolle auf dem Kölpinsee auf einem Boot vorfinden, kann ja ebenso gut zuvor auf der Mürtiz gefangen worden sein, auf der das Entnahmefenster ja momentan nicht gilt. Insgesamt bauen wir aber auf das Mitwirken aller Fischereischeininhaber, da wir nur Erfahrungen sammeln können, wenn die bestehende Regel nicht umgangen wird. Wie beschrieben stellt der erste Test in 2015 noch keinen Anspruch an Perfektion dar und wir möchten lernen. Die Entscheidung für das Entnahmefenster ist auch nicht leichtfertig gefallen und es fand im Vorfeld eine lange Diskussion in unserer Geschäftsführung statt.
Hechtverrückt: Wie schätzt du die Chance ein, dass euer Modell Schule macht und auch in anderen Gewässern wie den rügenschen Bodden umgesetzt wird?
Sebastian Paetsch: Wir sehen im Entnahmefenster einen Versuch, der bei positivem Verlauf auch Vorbildfunktion für andere Gewässer haben kann. Das Entnahmefenster ist aber eine von mehreren möglichen und je nach Situation sinnvollen Bewirtschaftungsmethoden. Über die Umsetzung an den Bodden lässt sich schwer eine Einschätzung treffen. Selbst bei uns, ist eine Ausbreitung auf all unsere Gewässer ein Prozess von mehreren Jahren. Und auch dann ist zu überprüfen, ob es auf alle Gewässer angewendet werden kann. Jedes Gewässer ist anders. Zunächst steht für uns der Erkenntnisgewinn am Kölpinsee im Vordergrund. Ich weiß aber von Vereinen im Binnenland, die auch bereits über eine Umsetzung nachdenken und laufend mit uns in Kontakt stehen. Was die Zukunft bringen wird bleibt also spannend!
Hechtverrückt: Zu guter Letzt (die Frage muss ich dir stellen): Was sind deine Top-Köder, wenn du an das Angeln auf Hecht in euren Gewässern denkst?
Sebastian Paetsch: Ein echter Klassiker und Fanggarant ist der Mann`s Twinler in der Farbe Motoroil in Kombination mit einem 15gramm Kopf. Der Köder fängt seinen Hecht und ist sicher keine falsche Wahl! Davon ab löst das Fischen mit extra großen Ködern neuerdings eine größere Faszination für mich aus, als das Fangen selbst. Deshalb hängt immer öfter ein Musky Innovations BullDawg in der Größe Pounder am Band – auch wenn ich mitunter damit weniger fange.
Hechtverrückt: Sebastian; wir danken dir für das Gespräch!
Steckbrief Sebastian Paetsch
Seit 2007 ist der studierte Politikwissenschaftler bei den Müritzfischern. Als Sohn zweier Fischwirte wurde Sebastian bereits früh mit dem Angelvirus infiziert. In der Zwischenzeit hat er viele Methoden ausprobiert und perfektioniert. Seit einigen Jahren hat sich eine Faszination zum Angeln auf Hecht mit Großködern entwickelt. Geworfen werden Köder bis zu 450Gramm („Pounder“). Als Ansprechpartner für Angeltourismus und Unternehmenskommunikation bei den Müritzfischern kümmert sich Sebastian um die Öffentlichkeitsarbeit der Fischerei Müritz-Plau GmbH. Hierzu gehören TV Reportagen, Veröffentlichungen in Printmedien sowie die Sozialen Medien als Plattform.
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